MFG - Stadt/Land-Vergleich: mehr als 35 Mio.
Stadt/Land-Vergleich: mehr als 35 Mio.


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St. Pöltens gute Seite

Stadt/Land-Vergleich: mehr als 35 Mio.

Text Michael Müllner
Ausgabe 07/2014
Die Vergleichsverhandlungen zwischen St. Pölten und dem Land NÖ spülen unter anderem 35 Millionen Euro in das Stadtbudget – der Gestaltungsspielraum für die Stadtpolitik vergrößert sich spürbar. Vorangegangen war der politischen Einigung ein jahrelanger Streit um den St. Pöltner Beitrag zur Krankenhaus-Finanzierung, nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hatte sich die Rechtsposition der Stadt zuletzt deutlich verbessert. (Siehe dazu MFG-Artikel aus der Juni-Ausgabe.)

In früheren Stellungnahmen wurde der Streitwert mit rund 60 Millionen Euro beziffert, in Folge der Einigung erhält St. Pölten nun 35 Millionen Euro an zu viel bezahlten Beiträgen der Vorjahre retour. Zudem wurde der neue Standortbeitrag mit 3,3 Millionen Euro jährlich angesetzt – somit knapp 7 Millionen unter dem früheren (zu hohen) Wert. Landesrat Karl Wilfing hat auch Landesunterstützung beim Thema “Öffentlicher Verkehr” zugesagt, ebenso wurde eine Landesförderung in Höhe von insgesamt 4 Millionen Euro für noch näher zu definierende, gemeinsame Projekte beschlossen.

Aus dem Büro von Landesrat Wilfing heißt es dazu, dass die Vergleichsgespräche vor einem sehr schwierigen finanziellen Hintergrund stattgefunden haben. Beide Seiten haben sich jedoch eine rasche und gemeinsame Lösung als Ziel gesetzt, das Gesprächsklima sei immer konstruktiv und sehr gut gewesen. Da der Verfassungsgerichtshof einen Vergleich der Streitparteien vorgeschlagen hat, sei auch stets in diesem Sinne verhandelt worden.

St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler will den Vergleich nutzen, um den Schuldenstand der Stadt zu senken und somit die Grundlage für einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt mit Spielräumen für die Zukunft schaffen. Den guten Beziehungen zum Land habe die gerichtliche Durchsetzung des Rechtsstandpunktes keinen Abbruch getan. Der eingeschlagene Budgetkonsolidierungspfad werde trotzdem umgesetzt, “wir fahren aber kein Crash-Szenario und machen kein zu-Tode-Sparen”, so Stadler.

Mit dem Vergleich scheinen Stadt und Land zufrieden. Zum einen weil ein jahrelanger Streit beigelegt ist, zum anderen weil der Verfassungsgerichtshof aufgetragen hatte, dass man sich vergleichen möge und für die Zukunft geeignete Kriterien zur Festsetzung des Standortbeitrages definieren möge. Vor diesem Hintergrund scheint das Verhandlungsergebnis trotz des kolportierten Streitwerts von 60 Millionen Euro für beide Seiten vertretbar.

Die formalen Beschlüsse im Gemeinderat und Landtag sollen rasch gefasst werden, am 11. Juli tagt der St. Pöltner Gemeinderat, am 15. Juli soll ein Beschluss der NÖ Landesregierung erfolgen. Noch im August wird vor dem Verfassungsgerichtshof wohl auch der gerichtliche Vergleich formell abgeschlossen werden.

St. Pöltens ÖVP-Obmann Matthias Adl betont, dass “das Ergebnis unter den gegebenen Umständen wohl das beste war, was man für St. Pölten rausholen konnte.” Auch die Leistung der St. Pöltner Beamten und der Einsatz von Bürgermeister Stadler seien anzuerkennen. Der Beschluss das Land NÖ zu klagen, sei damals kein leichter Entschluss gewesen, im Rückblick war er jedoch die richtige Entscheidung, die damals auch mit den Stimmen der ÖVP beschlossen wurde, wie Adl anmerkt. Auch die ÖVP will den gewonnenen Spielraum zum Schuldenabbauen nutzen – um Spielräume für die Zukunft zu schaffen.

Ungewohnte Eintracht zwischen St. Pöltens SPÖ und ÖVP, die zumindest bis zum morgigen Gemeinderat halten könnte. Dann geht es um den Rechnungsabschluss 2013 – dem die Opposition wohl nicht zustimmen wird.

EDIT:
Doch warum gibt sich St. Pölten mit “nur” 35 Millionen Euro zufrieden, wenn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) einer Klage doch gute Chancen eingeräumt hätte und der Streitwert bei 60 Millionen lag?
St. Pöltens Finanzdirektor Thomas Wolfsberger führt dazu aus, dass bei gescheiterten Vergleichsgesprächen die Stadt zwar wohl vom VfGH Recht bekommen hätte. Das Land hätte dann den gesamten Betrag der zu hohen Standortbeiträge an die Stadt refundieren müssen. In Folge jedoch wäre natürlich ein adaptiertes Landesgesetz rückwirkend beschlossen worden, welches einen neuen, niedrigeren Standortbeitrag festgesetzt hätte. St. Pölten hätte diese neuen Beiträge erst Recht wieder rückwirkend ans Land überweisen müssen. Somit wäre man wohl auf jenen Wert gekommen, der nun im Rahmen des Vergleiches zwischen den Streitparteien ausverhandelt wurde.